Der Weg vor uns
Lesezeit: ca. 10 Min. Der Weg vor uns – Wohin die Reise beim autonomen Fahren geht Eine aktuelle Wegbestimmung für die Jahre 2020 und 2030.
ETAPPE 1: Zielpunkt 2020Das selbstfahrende Auto wird Einfluss auf fast die gesamte Menschheit haben. Deswegen wird es auch ein riesiges Geschäft werden.Larry Page, CEO, Alphabet Inc
Drei von vielen Hürden, die autonome Fahrzeuge momentan noch überwinden müssen:
02 Was passiert als Nächstes in dem chaotischen Durcheinander, das wir Straßenverkehr nennen? Was ist mit Faktoren wie Schnee, Regen, Dunkelheit, ungesicherten Unfallstellen und Autos, die in falscher Richtung in eine Straße einbiegen? Unser menschliches Gehirn wird mit Ausnahmefällen wie diesen fertig, Roboterpiloten aber fehlt noch das intelligente Verständnis. „Es reicht nicht, ein Schönwettersystem zu haben, das zum Beispiel in Phoenix oder Houston funktioniert, aber nicht in Chicago, New York oder Houston“ (Johann Jungwirth, Executive Vice President of Mobility Services, Volkswagen). Die gewaltige Herausforderung bei der Computersteuerung von Autos liegt darin, diese Ausnahmen in den Griff zu bekommen.
03 Ein weiterer Problempunkt sind die unterschiedlichen regulatorischen Vorgaben. In den USA können Unternehmen wie die Alphabet-Tochter Waymo, Tesla, Lyft und Uber ihre führende Position weitgehend ungehindert von staatlichen Vorgaben ausbauen. In Europa ist dies weitaus komplizierter. „Durch unkomplizierte Zulassungsverfahren in den USA werden Testflotten möglich, die mehrere hundert Fahrzeuge umfassen – ein Vielfaches von dem, was in Europa möglich ist“, so Wolfgang Bernhart, Partner von Roland Berger.
ERSTER BOXENSTOPP Warum sind wir eigentlich unterwegs?
Autonomes Fahren wird Mobilität genauso auf den Kopf stellen, wie es vor einem Jahrhundert das Automobil getan hat.Mario Brumm, Ibeo Automotive Systems
ETAPPE 2: Zielpunkt 2030Wenn wir in die mittlere Zukunft blicken, zeichnen sich interessante Optionen ab.
Wir alle überschätzen den Wandel, der in den nächsten zwei Jahren eintritt und unterschätzen jenen, der in den kommenden zehn bevorsteht.Bill Gates
ZWEITER BOXENSTOPPWovon reden wir eigentlich genau?
Wir müssen uns jetzt messen an den Googles, den Apples dieser Welt, auch den Teslas, und besser als die sein.Dieter Zetsche, Vorstandsvorsitzender, Daimler AG
Was wird aus der europäischen Automobilindustrie? Oder genauer gesagt: Was wird aus der Automobilindustrie, wie wir sie kennen?
Silicon Valley-Analyst Ben Thompson ist ähnlich pessimistisch. Im Zeitalter autonomen Fahrens werde der Privatbesitz von Fahrzeugen für Endkunden zur „massiven Geldverschwendung.“ Für die Hersteller bedeute dies, dass sie künftig „Massenware an Großabnehmer verkaufen – ähnlich den Firmen, die Server für die heutigen Cloud-Riesen bauen.“
Auch geografisch dürfte es massive Verschiebungen geben. Noch werden etwa 15 Prozent der Autos in Westeuropa produziert. Bis 2040 dürfte dieser Anteil auf unter 5 Prozent sinken – so die Erwartungen von Entscheidern aus der Automobilindustrie. Schwer vorstellbar, dass diese massive Verschiebung ohne Verluste von Arbeitsplätzen vonstattengeht.
Hinzu kommt, dass die Newcomer auf gut gefüllten Kriegskassen sitzen. Google beispielsweise, das bereits seit 2009 am fahrerlosen Auto arbeitet, ist momentan an der Börse so viel wert wie die zehn größten Automobilhersteller zusammengenommen. Laut Studien könnte die Alphabet-Tochter Waymo im Jahr 2030 etwa 60 Prozent der Betriebssysteme von autonomen Fahrzeugen ausstatten. Damit würde ein Digitalkonzern die zentrale Kundenschnittstelle besetzen und sich den lukrativen Teil der Mobilitätswertschöpfung sichern, Marcus Willand, Associated Partner bei MHP im Bereich Intelligent Mobility.
Wenn man es langfristig betrachtet, kann es sein, dass nur eine Handvoll Anbieter von selbstfahrenden Systemen übrig bleiben werden: ein bis zwei in den USA, ein bis zwei in China, und ein bis zwei in Europa.Johann Jungwirth, Executive Vice President of Mobility Services, Volkswagen
Was wird sich (wirtschaftlich) sonst noch verändern?
Wann ist mit der autonomen Revolution zu rechnen?
Bevor jedoch nennenswerte Zahlen von Privat-PKWs autonom unterwegs sein werden, werden vermutlich zunächst kommerzielle Nutzfahrzeugflotten automatisiert. Müllfahrzeuge beispielsweise, bei denen es fortan keinen Fahrer mehr braucht und es ausreicht, wenn sie mit Schrittgeschwindigkeit unterwegs sind. Kleintransporter, die nachts, wenn die Straßen leer sind, wie elektrische Robotermulis ihr Ziel ansteuern und morgens zu Arbeitsbeginn vor dem Geschäft bereitstehen. Ein weiterer Übergangsschritt könnte im sogenannten Geo-Fencing bestehen.
Weil der Stadtverkehr ungleich komplexer zu beherrschen ist als der Verkehr auf der Langstrecke, könnten autonome Systeme lediglich für Letzteres freigeschaltet werden. Dabei würde der Fahrer durch den Stadtverkehr navigieren und ab dem Stadtrand das autonome System übernehmen.
„Ohne selbstfahrende Autos werden wir kein Geschäft mehr haben.“ Travis Kalanick, ehem. CEO, Uber
Werden wir uns überhaupt ans autonome Fahren gewöhnen können?
• ein autonomes Fahrzeug zum Pizzaholen schicken
• ihm unsere Kinder anvertrauen und von ihm zu einem Fußballspiel fahren lassen
• ohne Probleme ein selbstfahrendes Taxi mit Fremden teilen
• nicht mehr automatisch auf der Fahrerseite einsteigen, auch wenn wir allein unterwegs sind
Sie können sich das Auto als einen Computerserver auf Rädern vorstellen.Brian Krzanich, CEO, Intel (bis 2018)
Was wird eigentlich aus der Freude am Fahren?
Wie schnell kommen wir voran?
Zum Schluss: eine Verkehrsvorhersage
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Text von:
Harald Willenbrock